Seit ein paar Tagen geht’s wieder rund in der Buchbubble. Irgendwo fing eine Diskussion um Own Voice Autor*innen an, um Autor*innen, die nicht Own-Voice sind, aber solche gegenlesen lassen, und um den ganzen Rest.
Es ging zwischen einigen Bloggern hin und her, mindestens eine Autorin postete eine recht lange und viel beachtete Instatory zu dem Thema (sie ist der Meinung, Own Voice sei übertrieben, und man könne Autor*innen nicht vorschreiben, was sie zu schreiben hätten, was sowieso absurd sei, da ja auch Krimis nicht von Mördern geschrieben würden, blahdiblah), und immer mehr Blogger*innen äußerten sich dazu.
Schließlich ließ einer der Blogger, die von Anfang an involviert waren, einen Livestream und Stories auf die Allgemeinheit los, die dann auch mich auf die Palme brachten.
Worum es in den Stories ging
Man könnte ja meinen, dass es allgemein begrüßenswert ist, wenn immer mehr Blogger*innen Own Voices unterstützen, sei es, indem sie die Bücher lesen, die Tweets teilen, drauf aufmerksam machen, etc.pp.
Dachtet ihr auch? Tja, falsch gedacht. Laut diesem Blogger reicht es nicht, wenn man (nur) die Own Voices in den großen Verlagen, dem bösen Mainstream, unterstützt, wenn es “nur” die gehypten Bücher sind. Das sei scheinheilig (durfte sich eine Freundin von mir so anhören), das kann man ja nicht wirklich ernst nehmen. Stattdessen solle man bitte kleine Verlage und Indie-Autor*innen unterstützen. Diese Aussage untermalte der Blogger mit diversen Büchern, die seiner Meinung nach mehr Unterstützung verdient hätten als die neueste Romantasy oder der nächste Bestsellerthriller. Als würde die Lektüre dieser Bücher, und einzig die Lektüre dieser Bücher, das Platinprädikat der Own-Voices-Unterstützung verleihen.
Blogger*innen wurde zudem nicht nur vorgeworfen, sie seien faul, weil sie sich nicht jedes Programm jedes Verlages nach Own Voices durchforsten, nein, große Blogger*innen interessierten sich ja nicht mal wirklich für Own Voice Themen, wie wollen sich nicht mal mit den Themen auseinandersetzen. Steile These. Die Begründung noch viel mehr: der Blogger hätte für die Aktion “Lesen gegen Rechts” nur mit Müh und Not ein paar Mitstreiter*innen gefunden. Dass das vielleicht nicht am mangelnden Interesse liegen könnte, sondern vielleicht damit zusammenhängt, dass man das Recht hat, die Zusammenarbeit z.B. wegen Differenzen abzulehnen…naja, lassen wir das, auf jeden Fall sind Blogger*innen faul und desinteressiert und scheinheilig.
Und ich trank Kaffee auf der Palme
Normalerweise trinke ich meinen Kaffee und beobachte die immer gleichen Diskussionen in der Buchbloggerszene mit amüsiert hochgezogener Augenbraue. Meistens ist es nur ein Sturm im Wasserglas. Jetzt allerdings ging es mir zu weit. Während manche einfach nicht aus ihrer privilegierten Sicht heraustreten können und mimimi machen, dass sie sich ja schon beim Schreiben fragen, ob sie politisch korrekt genug sind – die Forderung, sich einfach weniger wie ein diskriminierendes Arschloch zu verhalten ist ja auch voll überzogen, ey – fingen andere an, die Own Voices Unterstützung von Blogger*innen kleinzureden, weil diese nicht die “richtigen” Bücher gelesen hatten. Und bei sowas bin ich empfindlich, nicht wie eine zarte Blümchen, sondern wie eine Bombe.
Fangen wir von vorne an.
“Wenn ihr nur die Bücher der großen Verlage unterstützt, seid ihr scheinheilig”
Zu sagen, dass es scheinheilig sei, nur Own Voices aus den großen Verlagen und aus dem Mainstream zu lesen, impliziert gleich mehrere Dinge.
Zum einen impliziert es, dass Own Voices ihre Credibility verlieren, wenn sie in großen Verlagen veröffentlicht werden. Es erinnert ein wenig an die leidigen Diskussionen, die bei Musikfans immer wieder geführt wird: je unbekannter die Band, desto höher der Coolnessfaktor, vor allem der Fans. Ist eine Band erstmal im Mainstream angekommen, ist sie automatisch Massenprodukt, hat keine Credibility mehr, es ist fast peinlich, sich als Fan zu erkennen zu geben. Ist, um wieder zurück zum Ursprung zu kommen, das Buch einer Own Voice auf einmal weniger glaubwürdig, weniger Wert, ist die Geschichte mit ihren verarbeiteten Erfahrungen auf einmal weniger wahr, nur weil sie in einem großen Verlag erscheint? Ich denke nicht. Ganz im Gegenteil sollte man sich doch freuen, dass es eine Own Voice mehr geschafft hat, einen Platz im großen Programm zu bekommen, denn in einem sind wir uns doch alle einig: Own Voices sind immer noch unterrepräsentiert.
Sidenote: Anne Freytag ist laut diesem Blogger eine 1a-Top- OV-Unterstützerautorin – die aber auch in großen Verlagen veröffentlicht? Das ist dann wieder okay? Check die Argumentation nicht.
Zu sagen, Mainstreambücher zu unterstützen sei scheinheilig, bedeutet auch zu sagen, dass es “richtige” und “falsche” Unterstützung von Own Voices gibt. Eine Unterscheidung zu machen zwischen Unterstützung von Mainstream und Indiebüchern bedeutet auch, ein Gefälle von unterstützenswerten Own Voices zu errichten, das sich nicht an der Qualität des jeweiligen Werkes orientiert, sondern einzig an der Größe des Verlags. Wirklich sehr ernst zu nehmendes Kriterium.
Das alles impliziert zudem, dass es eine Instanz geben muss, die über “richtig” und “falsch” entscheidet. Wer soll das bitte sein?
2 thoughts on “Über Own Voices und richtige und falsche Unterstützung”
Hallo,
das Argument, dass Krimis ja auch nicht von Mördern geschrieben werden, ist ja vollkommen daneben – geht meilenweit am Punkt vorbei…
Ich finde es sehr begrüßenswert, wenn große Verlage Own Voices publizieren, und fühle mich von Hypes zwar meist eher abgeschreckt – aber meine Güte, mehr Publicity für Own Voices ist doch auf jeden Fall ein Gewinn! Ich kann ja trotzdem kleine Verlage und Selfpublisher unterstützen, wenn ich das will, und wenig beachtete Bücher lesen.
Aber wem sage ich das! Brauchst du noch Eulen in Athen?
Ich lese gerne Bücher, die man nicht überall sieht, weil ich es einfach spannend finde, ein Buch ohne große Vorkenntnis zu lesen. Aber a) macht mich das nicht cooler oder besser, und b) lese ich gleichzeitig auch Bücher aus großen Verlagen und schäme mich deswegen kein Stück.
Diese Vorstellung, dass Own Voices an Credibility verlieren, wenn ihnen in großen Verlagen eine Stimme gegeben wird, erinnert mich tatsächlich auch sehr daran, wie Bands auf einmal geschmäht werden, wenn sie es wagen, Erfolg zu haben und vielleicht sogar in den Top 10 zu landen…. Freunde von uns sind seit ein paar Jahren bei Universal unter Vertrag, und das war für viele Fans das Stichwort, sofort loszujaulen, sie würden ihre Prinzipien verkaufen und nur noch Mainstream-Scheisse machen. Nach jedem neuen Album vermeide ich es für die ersten Tage, auf Facebook zu schauen, was darüber gesagt wird, weil mir dann immer der Kragen platzt.
Ich kann mit LGBTQ*-Romanzen auch nichts anfangen – wegen den ROMANZEN, nicht dem LGBTQ*.
Ich mag deinen Beitrag! So habe ich das gar nicht gesehen ^^
Noch ein Aspekt, der mir aufgefallen ist zur Buchbubble auf Twitter, die zusammengefasst das hier sagt: “Autoren sind scheiße, wenn sie keine Charaktere aus marginalisierten Gruppen schreiben. Sie sollen Charaktere aus marginalisierten Gruppen schreiben, weil mehr Repräsentation = gut! Aber das ist dann auch scheiße, weil es keine Own Voices sind. Und Autoren sind rassistisch/ableistisch/homophob, wenn Prota nicht aus einer marginalisierten Gruppe stammt, sondern nur ein Nebencharakter aus einer marginalisierten Gruppe! Deswegen müssen jetzt alle Sensitivity Reader engagieren, auch wenn sie kein Geld dafür haben! I don’t gve a fuck @ arme Menschen lol (aber gebe vor, mich um sie zu kümmern)”
Hallo,
das Argument, dass Krimis ja auch nicht von Mördern geschrieben werden, ist ja vollkommen daneben – geht meilenweit am Punkt vorbei…
Ich finde es sehr begrüßenswert, wenn große Verlage Own Voices publizieren, und fühle mich von Hypes zwar meist eher abgeschreckt – aber meine Güte, mehr Publicity für Own Voices ist doch auf jeden Fall ein Gewinn! Ich kann ja trotzdem kleine Verlage und Selfpublisher unterstützen, wenn ich das will, und wenig beachtete Bücher lesen.
Aber wem sage ich das! Brauchst du noch Eulen in Athen?
Ich lese gerne Bücher, die man nicht überall sieht, weil ich es einfach spannend finde, ein Buch ohne große Vorkenntnis zu lesen. Aber a) macht mich das nicht cooler oder besser, und b) lese ich gleichzeitig auch Bücher aus großen Verlagen und schäme mich deswegen kein Stück.
Diese Vorstellung, dass Own Voices an Credibility verlieren, wenn ihnen in großen Verlagen eine Stimme gegeben wird, erinnert mich tatsächlich auch sehr daran, wie Bands auf einmal geschmäht werden, wenn sie es wagen, Erfolg zu haben und vielleicht sogar in den Top 10 zu landen…. Freunde von uns sind seit ein paar Jahren bei Universal unter Vertrag, und das war für viele Fans das Stichwort, sofort loszujaulen, sie würden ihre Prinzipien verkaufen und nur noch Mainstream-Scheisse machen. Nach jedem neuen Album vermeide ich es für die ersten Tage, auf Facebook zu schauen, was darüber gesagt wird, weil mir dann immer der Kragen platzt.
Ich kann mit LGBTQ*-Romanzen auch nichts anfangen – wegen den ROMANZEN, nicht dem LGBTQ*.
Ein superinteressanter Artikel!
LG,
Mikka (faul, desinteressiert und scheinheilig)
[ Mikka liest von A bis Z ]
Ich mag deinen Beitrag! So habe ich das gar nicht gesehen ^^
Noch ein Aspekt, der mir aufgefallen ist zur Buchbubble auf Twitter, die zusammengefasst das hier sagt: “Autoren sind scheiße, wenn sie keine Charaktere aus marginalisierten Gruppen schreiben. Sie sollen Charaktere aus marginalisierten Gruppen schreiben, weil mehr Repräsentation = gut! Aber das ist dann auch scheiße, weil es keine Own Voices sind. Und Autoren sind rassistisch/ableistisch/homophob, wenn Prota nicht aus einer marginalisierten Gruppe stammt, sondern nur ein Nebencharakter aus einer marginalisierten Gruppe! Deswegen müssen jetzt alle Sensitivity Reader engagieren, auch wenn sie kein Geld dafür haben! I don’t gve a fuck @ arme Menschen lol (aber gebe vor, mich um sie zu kümmern)”