Titel: Reclams Hausbuch zur Weihnachtszeit | Verlag: Reclam
Vielen Dank für das Rezensionsexemplar!
Die Supermärkte bereiten uns schon gefühlt seit Ende der Sommerferien darauf vor, Weihnachtsmärkte zeigen, dass sie näher rückt, und am Sonntag beginnt sie mit dem 1. Advent: die Vorweihnachtszeit. Für die einen die schönste Zeit im Jahr, sogar noch schöner als die Sommertage an der Elbe oder Baggersee, für die anderen vier Wochen Vorboten für ein paar Horrortage. Jede und Jeder verbindet mit Weihnachten und der Adventszeit etwas anderes: Gutes und Schlechtes, Glühwein, Lichterketten und Adventskranz, Vanillekipferl und Räuchermännchen…
Ich persönlich mochte Weihnachten jahrelang nicht, mir waren die Feiertage zu scheinheilig, zu heuchlerisch der Umgang miteinander. Das hat sich inzwischen geändert, was auch daran liegt, dass ich eine tolle Familie habe, mit der Weihnachten und die Zeit bis dahin unglaublich viel Spaß macht. Damit ich habe ich mehr als viele andere. Ich genieße die Vorweihnachtszeit, ich liebe die Lichterketten überall, die Vorfreude meiner Schwester, und vor allem freue ich mich wie ein Schnitzel auf die Feiertage. Geschenke sind mir tatsächlich relativ egal, aber mit meiner Familie zusammensitzen zu können, lachen bis ich Bauchschmerzen habe…selbst wenn wir das Jahr über nicht immer die Zeit finden, ich weiß genau, an Weihnachten haben wir sie.
Und so verschieden die Assoziationen sind, so unterschiedlich sind auch die Bräuche in der Vorweihnachtszeit und an den Feiertagen selbst. Selbst in meiner Familie gibt es neben allem, was sich gleicht, deutliche Unterschiede. Mein Vater liebt Räuchermännchen, einen schlichten Baum und vor allem die Engel aus dem Erzgebirge. Meine Mum zieht einen moderner gestalteten Adventskranz vor, und an Heilig Abend wird gesungen – und das, wo mein Bruder, mein Stiefvater und ich keinen einzigen Ton halten können, und wenn’s um unser Leben ginge.1 Meine Mum besteht darauf, dass wir in die Kirche gehen, mein Vater wird es dieses Jahr zum ersten Mal seit Jahren wieder machen, andere gehen Heilig Abend ins Kino.2
Ich kenne auch Menschen, die haben von zu Hause keine Weihnachtstraditionen mitbekommen oder erinnern sich nicht mehr, möchten ihren Kindern, die sie inzwischen haben, aber welche mitgeben. Das kann klassisch sein Kirche, Kartoffelsalat mit Würstchen, singen und Bescherung. Das kann sein Spaziergang und Geschichten vorlesen. Oder sich mit Kakao auf der Couch einkuscheln und den ganzen Tag Märchenfilme gucken.
Für alle, die die Vorweihnachtszeit lieben, neue und andere Traditionen kennenlernen möchten – oder ganz stumpf ein paar Weihnachtslieder brauchen, hat Reclam ein Buch zusammengestellt, dass einem die Tränen in die Augen treibt.
Die biblische Weihnachtsgeschichte nach dem Lukasevangelium ist genauso drin wie Klassiker wie Nussknacker und Mäusekönig und Die Schneekönigin. Am meisten freute ich mich über meine absolute Lieblingsweihnachtsgeschichte, das Geschenk der Weisen.
Für die Weihnachtsbäckerei sind Rezepte für Fortgeschrittene drin (versucht mal, mich von Vanillekipferl-Teig fernzuhalten), aber auch Butterplätzchen zum Ausstechen, um mit den Lüdden einen Adventssonntag zu verbringen. Und mal ehrlich, wer sticht nicht gerne Plätzchen aus?
Dabei soll gesungen werden? Kein Problem, auch da hat Reclams Hausbuch zur Weihnachtszeit einen kleinen Liederfundus. Und wer wie ich früher Gedichte auswendig lernen musste, kann sich dem Horror direkt wieder stellen – oder die Gedichte einfach nur lesen. Allein, mit anderen, an Heilig Abend oder so…
Aber wo kommen Traditionen und Motive wie Weihnachtsbaum, Christkind und Weihnachtsmann, Nikolausabend eigentlich her? Auf diese Fragen gibt es kurze, aber sehr informative Antworten im letzten Teil des Buches.
Reclams Hausbuch zur Weihnachtszeit ist wunderschön aufgemacht. Der Buchrücken ist aus silbernen Leinen, die Gestaltung durchweg in Weinrot und Silber gehalten, es gibt ein Lesebändchen… dieses Weihnachtsbuch ist nicht nur ein Fundus an Geschichten, sondern hat das Zeug dazu, durch die Generationen zu wandern. Endlich hat man alles auf einen Blick, man muss nicht mehr drei Backbücher, ein Liederbuch plus Gesangheftchen, unzählige Ausdrucke von Wikipedia und andere Bücher horten. Kann man natürlich, und ich werde meine Geschichtenbücher niemals hergeben.
Aber wenn schon meine Mum auf dieses Buch geiert, die eben jene drei Backbücher, Liederbücher usw. zu Hause hat, weil sie Weihnachten so liebt, dann könnt ihr mir glauben, dieses Buch ist etwas ganz besonderes.
Was findet ihr in der Vorweihnachtszeit am schönsten? Wie feiert ihr Weihnachten? Welches sind eure schönsten oder witzigsten Weihnachtsanekdoten?
1. Oder als meine Schwester nicht mehr weiter wusste und kurzerhand „What shall we do with the drunken Sailor“ auf der Bratsche fiedelte. Nicht sehr weihnachtlich, aber wir lagen am Boden. Dieses Jahr werden die Weihnachtslieder auf der Ukulele begleitet… Es wird witzig.
2. Vorweihnachtszeit 2017, Star Wars Ep. VIII ist im Kino, Anruf einer Mutter, man hört die Kinder im Hintergrund. „Guten Tag, ich möchte bitte für Hamburg Dammtor reservieren.“ „Gerne.“ „Und zwar für Star Wars…“ Im Hintergrund werden die Kinder auf einmal mucksmäuschenstill, „an Heilig Abend um 12.00!“ Im Hintergrund bricht Jubel aus. „Aber Mama, wir gehen doch in die Kirche!“ „Nö. Ihr findet es langweilig und schlaft fast ein – dann gucken wir lieber Star Wars und gehen hinterher spazieren.“
Das klingt nach einer total schönen Zusammenstellung in diesem Buch!
Und ich mag sehr, wie du die Weihnachtstraditionen deiner Familie und die Bedeutung dieser Möglichkeiten an sich in den Text eingeflochten hast 🙂