Nach Israels Performance betrat schließlich Penny die “Bühne”, die aus zwei Sesseln und einem Mikro bestand. Sie hatte sich kurzfristig dazu entschlossen, ebenfalls aus einer ihrer Geschichten zu lesen, allerdings auf Englisch. Ihr wurde gesagt, dass es kein Problem sei und wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Leider las sie nicht die ganze Geschichte, Kleine Gnaden, dabei hätte ich ihr noch stundenlang zuhören können. Im Anschluss interviewt Picandet Penny. Natürlich kam auch die Frage auf, wo Penny ihre Inspiration für die Stories findet. Zu Blauer Montag sagte sie: “It’s what I think about cats”, was witzig ist in Anbetracht der Tatsache, dass die Protagonistin der Geschichte nur eine Katze mag, alle anderen aber eher überflüssig findet. Interessant waren Pennys Antworten zu der Frage, ob ihre Geschichten eindeutig dystopisch wären: “We must be cutting a line between Dystopia and Utopia, it is really just black and white. A Dystopia is easy, because one day the world’s gonna end – American anarchist believe so – and you just can start new… The scary thing is not the end of the world, but that [in England] it becomes harder and harder to survive. That’s why people think the end of the world is quite fun.” (Rekonstruiert aus meinen Zitatnotizen) Ich finde es immer wieder spannend, Analysen von Autoren zu hören, warum sich Dystopien aktuell einer solchen Beliebtheit erfreuen. Quintessenz von Pennys Aussage ist, dass eine Dystopie ein relativ klares Ende und einen relativ klaren Neuanfang suggeriert, während es viel schwerer ist, sich eine Utopie vorzustellen, deren Erreichen mit viel Arbeit und schleichender Veränderung verbunden ist.
Penny liest aus ihrer Kurgeschichte “Kleine Gnaden”Während des Gespräches kam auch heraus, dass es Überlegungen gibt, in Zusammenarbeit mit ihr eine Graphic Novel zu veröffentlichen. Sollte das der Fall sein, wird die sofort auf meiner Vorbestellliste landen, die normalerweise nie mehr als zwei, drei Titel enthält.
Im Anschluss konnte das Publikum fragen stellen. Außer einer meiner vorbereiteten Fragen hatte Picandet alle gestellt, und da kein anderer Gast Fragen hatte… Laurie Penny wird auf den Social Media Plattformen immer wieder auf verschiedene Weise angegriffen und diskriminiert, sexistisch, antisemitisch. Ich wollte wissen, ob diese Beleidigungen sie immer noch verletzen oder ob sie inzwischen ein dickes Fell hat. “Nun, diese Beleidigungen führten dazu, dass ich mich neun Monate zurückzog und an diesen Kurzgeschichten arbeitete. Es ist Balanceakt, manchmal treffen mich die Beleidigungen in ihrer vollen Wucht. Oft habe ich aber das Bedürfnis, zurückzuschreiben und mich zu wehren, immerhin macht mich das mit aus. Trotzdem habe ich kein dickes Fell. Ich denke, für eine/n Autor/in ist es nicht gut, ein dickes Fell zu haben, denn man wird nicht mehr berührt und härtet ab. Manche Autoren werden richtiggehende Arschlöcher. Aber, ja, ich kann schreiben und damit verarbeiten. So sind diese Geschichten entstanden.” (ich habe bei ihrer Antwort nicht mitgeschrieben, da sie mir antwortete und mich ansah. Ich fand es unhöflich, mir dann Notizen zu machen) Nachdem noch eine weitere Anwesende eine Frage stellte, dieses mal zur Flüchtlingspolitik in Deutschland und England, war es leider auch schon vorbei. Ich fand es schade, dass das Publikum die Chance nicht weiter nutzte, um noch Fragen zu stellen, auf der anderen Seite hatte ich selbst ja keine weiteren mehr. So hatte Penny, um die sich die Veranstaltung eigentlich drehte, in etwa soviel Redezeit gehabt wie Israel. Allerdings signierte Penny noch Bücher und man konnte dort noch das ein oder andere Wort mit ihr wechseln. Sie war so lieb und hat gleich zwei meiner Bücher von ihr signiert.
Ich mochte Laurie Penny schon vor der Lesung für ihre starke und direkte Sprache und empfand als eine sehr beeindruckende Frau und Autorin. Dieser Eindruck hat sich nicht nur bestätigt, ich finde sie auch unglaublich witzig und sympathisch. Sie ist eine großartige Persönlichkeit und ich hoffe, dass sie häufiger Lesungen veranstaltet, sollte sie tatsächlich nach Deutschland ziehen.
Last but not Least nochmal ein herzliches Dankeschön an Frau Otto vom Nautilus Verlag, die es mir ermöglicht hat, diese schon längst ausverkaufte Veranstaltung besuchen zu können!