[Interview] Felicia Ewert: “Meine Existenz ist nicht verhandelbar.”

[Interview] Felicia Ewert: “Meine Existenz ist nicht verhandelbar.”

Feminismus ist schön und gut, wichtig, unabdingbar, tatütata. Ein häufiges Problem ist aber, dass er so oft immer noch nicht intersektional ist (Zum Einstieg in das Thema Intersektionalität empfehle ich den Artikel aus dem letzten Jahr von Elif), heißt: Feminismus ist oft exklusiv von weißen Frauen für weiße Frauen. Immer noch. Noch krasser erleben es trans Frauen, und ich muss gestehen, dass ich mir über diesen Punkt keine Gedanken gemacht habe (weil “ich bin doch voll inklusiv”), bis Linus und Felicia in meine Timeline stolperten und ich seitdem immer mehr lerne. Umso mehr freut es mich, dass ich Felicia für ein Interview zum Thema trans Frauen und Feminismus gewinnen konnte!

Felicia Ewert twittert unter @redhidinghood_ über ihr trans Frausein, Transphobie und Cissexismus (aktuell in Twitterpause). Ihr Buch Trans. Frau. Sein. erscheint im Oktober bei Edition Assemblage.



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Du bist eine der lautesten und kritischsten Stimmen auf Twitter, wenn es um Transthemen, Cissexismus und Cisfeminismus geht. Was bedeutet es für dich im Alltag, Feministin zu sein?

Plätze zu erkämpfen, mir Gehör zu verschaffen. Eben leider auch besonders in Feminismen, weil meine Akzeptanz nicht selbstverständlich ist.
Zusätzlich mir immer wieder klarzumachen welche Diskriminierungen, Einstellungen ich selbst mit mir umhertrage.

Trans- und Nonbinary-Stimmen werden immer wieder ignoriert, ausgeschlossen und/oder kleingeredet. Wie schaffst du es, angesichts dessen nicht zu verzweifeln oder zu resignieren?

Immer wieder über den Punkt schreiben. Ich weiß, dass es oftmals eine Art „es reicht/ wir wissen es doch alle“ Stimmung gibt. Da muss ich drüber fahren. Meine Arbeit muss Menschen wehtun, ich schone nicht, ich bin laut und das muss ich sein, damit sie halbwegs begreifen, welcher Schmerz und welche Ignoranz uns entgegengebracht werden.

Außerdem resigniere ich nicht, weil ich liebevolle und unterstützende Schwestern und Geschwister habe. Gleich ob cis oder trans. Wir. Gemeinsam.

Du studierst Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Geschlechterforschung. Sind deine Kommiliton_innen sensibilisierter als in anderen Fächern? Oder bist du dort quasi Ansprechpartnerin für “alles, was ich schon immer über Transsein wissen wollte”?

Hängt stark von den Personen ab. Ich spüre, dass eine gewisse Grundsensibilisierung da ist. Eine offene Absprache meines Geschlechts habe ich so noch nicht erlebt.
Es geht dann eher um viele Begriffe, zu denen Leute kaum Zugänge haben. Wörter wie „Geschlechtsumwandlung“, also eigentlich bestimmte operative Eingriffe, oder „biologische Frau“, sprich cis Frau, oder „Person, der bei der Geburt das Geschlecht ‘Frau‘ zugewiesen wurde“, sind immer noch gegenwärtig. Auch wenn vieles offener gedacht wird, wird von einer grundsätzlichen Zweigeschlechtigkeit ausgegangen. Das ist hochproblematisch, weil es die institutionelle und strukturelle Diskriminierung von uns nicht beim Ursprung greift. Trans Personen werden akzeptiert, ihre volle Respektierung bleibt jedoch aufgrund von geschlechtlichen Biologismus (Cissexismus) meist verwehrt.

Im Oktober erscheint dein Buch “Trans. Frau. Sein: Aspekte geschlechtlicher Marginalisierung” bei der Edition Assemblage. Wie kam es zu dem Buch?

Ich wurde aufgrund meiner Arbeit auf Twitter und aufgrund meiner Teilnahme an einem Podcast zu unter anderem transfeindlichem/ transmisogynen Feminismus gefragt, ob ich mir vorstellen könne, das in einem ausführlichen Buchprojekt festzuhalten.

Auf Twitter musst du dich oft genug mit Trollen und ignoranten Menschen auseinandersetzen. Hast du Angst, dass es durch das Buch schlimmer werden oder sich verlagern könnte, z.B. in dein Offline Leben?

Das versuchen Leute jetzt bereits. Viele weiterhin auf mich gerichtete Attacken, die mein Frau Sein absprechen wollen, gehen nun weiter auf mein ungeborenes Kind und meine Frau. Ich denke, es wird definitiv stärker und ich mache mir auch zunehmend Gedanken um meine Arbeit als Referentin von Vorträgen, weil ich nie wissen kann, auf was für Personen ich möglicherweise treffe. Das ist zwar beunruhigend, es bestärkt und bestätigt mich jedoch nur darin wie wichtig meine Arbeit ist.

Was fehlt dir in den feministischen Bewegungen?

Als transgeschlechtliche Frau gelte ich oftmals als eine Art Alibi-Anhängsel mit dem sich geschmückt wird, um sich inklusiv und offen zu geben. Viel Unterstützung oder das Teilen meiner Arbeit, Credits geben, folgt jedoch meist nicht. Die Kritikfähigkeit lässt leider auch sehr oft zu wünschen übrig, weil viele Personen, oftmals cis Frauen, durch ihre Zugänge zu Feminismus zum Bewusstsein gelangt sind, dass sie als weiße, cisgeschlechtliche, ableisierte (nicht behinderte/ beeinträchtige) Frauen nicht in der Lage seien, andere Menschen zu diskriminieren. Daher erfolgen zu oft Abwehr und Distanzierungen, wenn ich meine Kritik äußere. Es braucht mehr cis Frauen, die auf unsere Arbeit und unsere Existenzen verweisen und uns den Platz und die Plattformen überlassen, um für uns selbst zu sprechen.

Was können cis Menschen tun, um Cisfeminismen abzubauen? Vorzugsweise ohne ständig bei trans Menschen und Nonbinarys kostenlose Nachhilfe einzufordern?

Zuhören, zuhören, zuhören und mitdenken, mitdenken, mitdenken.

Die Frage beantwortet sich damit quasi von selbst. Unser über Jahre erarbeitetes und tatsächlich auch erschaffenes Wissen wird zu gerne als kostenlose Ressource für das Interview dort und den “Fachartikel” hier gefordert und verwendet. Machtpositionen werden ausgespielt, unsere Stellung wird als Waffe gegen uns verwendet. Wir werden in die Situation gebracht Wissen herzugeben, weil „wir doch schließlich wollen, dass uns geholfen wird und wie soll das denn möglich sein wenn wir unser Wissen nicht teilen?!“

Wichtig ist dann nach dem Zuhören immer wieder das Mitdenken. Sich immer wieder verdeutlichen, wie häufig ich im Alltag Körper, Körperteile, Hormone und Chromosomen mit einem bestimmten Geschlecht gleichsetze.

Eigene Positionen wahrnehmen, ja, auch wenn du selbst unter bestimmten Diskriminierungen leidest. Denn das müssen trans Personen auch und ich nehme sie und mich selbst da nicht aus, wenn es zum Beispiel um Rassismus geht. Wir alle haben verschiedenste diskriminierende Einstellungen verinnerlicht. Die müssen wir realisieren um sie abbauen zu können.

Als trans Personen können wir uns nicht aussuchen, uns nicht grundsätzlich mit Fragen über Geschlecht und was es überhaupt ist oder sei, auseinanderzusetzen. Wir werden unweigerlich damit konfrontiert. Das müssen cis Personen begreifen.

Was wünschst du dir für die feministische Szene – und für dich?

Intersektionalität. Die Wahrnehmung, das Mitdenken, das Anerkennen, dass wir verschiedenste Identitäten haben für die wir institutionell und strukturell, also gesellschaftliche Diskriminierungen erfahren.

Feminismen, die das nicht einbeziehen versuchen in der Regel nur die Position weißer, ableisierter cis Frauen im Konkurrenzkampf mit Männern zu stärken und alle Störfaktoren, Frauen wie mich, dabei auszuschließen.
Dagegen kämpfe ich.
Meine Existenz ist nicht verhandelbar.
Das muss das Minimum sein.

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