In den letzten Jahren ist ein Trend im Graphic Novel Genre immer stärker geworden: Weltliteratur und Klassiker werden in das bebilderte Format adaptiert. Egal ob Goehtes Faust, Bradburys Fahrenheit 451 oder Kafkas Der Prozess, die Auswahl ist inzwischen beträchtlich.
Graphic Novels als Einstieg in die Weltliteratur
Über den literarischen (Mehr-)Wert solcher Adaptionen lässt sich natürlich streiten. Für die Graphic Novels werden die Texte des originalen Werkes gekürzt, damit sie einen Band passen. Allerdings wird in der Regel großer Wert darauf gelegt, die Sprache beizubehalten und wichtige, für den Verlauf der Geschichte relevanten Passagen sowie bekannte Textstellen nicht zu streichen. Insgesamt ist die Geschichte also gekürzt, verliert aber keine relevanten Details. Bei Kurzgeschichten stellt sich das anders, vor allem leichter dar. Gris Grimly hat zwei Ausgaben mit Edgar Allan Poes Geschichten illustriert (auf Deutsch bei Knesebeck erschienen), und die Geschichten wurden ohne Kürzung gedruckt.
Ein weiterer Vorteil der adaptierten Weltliteratur ist, dass sie durch ihre comicartige Aufmachung jene Menschen ansprechen können, die sich sonst von Klassikern eher gelangweilt fühlen. Die gekürzten Texte vermitteln den Inhalt, die Illustrationen erweitern die Story um eine weitere, ansprechende Ebene. Sicher, es ist ein Unterschied, ob man die Reclam Ausgabe von Faust zur Hand nimmt, oder die im Carlsen Verlag erschienene Graphic Novel Adaption. Dennoch können letztere begeistern und für Neugier sorgen. Schülern, deren Talente nicht im Deutschunterricht liegen, helfen sie, die manchmal schwer verdaulichen Werke zu verstehen.
Natürlich ist nicht jede Umsetzung gelungen. Mal wollen die Bilder nicht zum Text passen, mal ist der Text so editiert worden, dass der eigentliche Zauber, der das Werk in den Stand der Weltliteratur erhob, verschwunden ist. Dadurch aber das gesamte Genre in die Niederungen der seichten Lektüren zu verbannen ist völlig verfehlt, zumal die Beurteilung, ob eine Adaption gelungen ist oder nicht nach wie vor zutiefst subjektiv ist.
Hochwertige Bearbeitung des Stoffs oder banales Geplänkel für die Fast Food Gesellschaft?
Man sollte im Hinterkopf behalten, dass es sich bei den Graphic Novel Adaptionen um gekürzte Versionen handelt. Sie können zwar eine neue Leserschaft erschließen und stellen eine künstlerische Interpretation dar. Auf der anderen Seite muss sich das Genre die Kritik gefallen lassen, hoch anerkannte Literatur in mundgerechte, wenig anspruchsvolle Häppchen für die Fast Food Gesellschaft zu verwursten. Denn die Frage ist natürlich auch, ob die neu angesprochene bzw. erschlossene Leserschaft früher oder später auf die eigentlichen Vorlagen zurückgreift oder bei den illustrierten Ausgaben bleibt.
Doch müsste sie das? Denn wäre es so, würde man Graphic Novels nicht als vollwertiges, literarisches Genre anerkennen, sondern als oberflächliche, anspruchslose Aneinanderreihung von Bildern, die keinen Mehrwert für die literarische Welt darstellen. Dass dem nicht so ist beweisen unzählige Graphic Novels, unabhängig davon, ob sie weltberühmte Werke adaptieren oder andere Geschichten erzählen.
Empfehlungen
Bradbury/Hamilton – Fahrenheit 451
Poe/Grimly – Unheimliche und fantastische Geschichten
Poe/Grimly – Das verräterische Herz und andere unheimliche Geschichten
Wells/Krapp – Der Krieg der Welten
Juhu Mareike,
nachdem ich mir jetzt gerade all deine Graphic Novel Beiträge durchgelesen habe, weiß ich gar nicht, welche ich zuerst kaufen möchte. Bis auf Krieg der Welten (Sci-Fi ist nicht meins) hast du mich mit allen Vorstellungen restlos überzeugt. Fahrenheit 451 und In the Pines sind dabei meine Favoriten. Und obwohl ich mit Graphic Novels bisher nichts am Hut hatte, kannte ich Maus sogar schon.
Kannst du mir spontan auch noch eine Graphic Novel empfehlen, die einen eher künstlerischen Zeichenstil verfolgt und weniger in die comicbuchartige Richtung geht? Das Cover von Stefan Zweigs “Die letzten Tage” gefällt mir zB unglaublich gut (gesehen im Beitrag vom Kaffeehaussitzer).
Ein super schönes Special, wie zuvor auch schon deine Feminismus Reihe.
Liebste Grüße und einen wunderbaren Abend,
Nadine