2021 habe ich 146 Bücher gelesen.
Für manche mag das “krass” und “cool” klingen. Ich hätte noch vor ein paar Jahren ähnlich gedacht, als ich noch nicht regelmäßig in den 100ern war. Wenn ich auf dieses Lesejahr zurückblicke, sehe ich die Phasen, in denen ich war: im Mai eine starke Mangaphase, ich wollte eindeutig Comics. Im Anschluss folgte eine NA Phase, die längste, die ich jemals hatte, Kindle Unlimited sei Dank. Seit Oktober bin ich wieder bei Krimi und Thriller gelandet, dieses Jahr speziell beim Golden Age of Crime und Agatha Christie.
Das Schlimme ist aber: ich habe so viele Bücher gelesen, teilweise am gleichen Tag oder zumindest im gleichen Zeitraum, Bücher, die sich von Inhalt und Story her unfassbar ähneln, dass ich sie jetzt anhand der Titel nicht mehr auseinanderhalten, ja, mich an die Inhalte nicht mal mehr erinnern kann. Für mich ist das schlimm. Und ich frage mich, was das für mein Lesen bedeutet.
Lese ich nur um des Lesens willen, egal was ich da vor der Nase habe? Wenn ja, warum ist das so? Was sagt das über mich als Lesende aus? Und vor allem: wie kann ich dem Durcheinanderkommen und Vergessen entgegenwirken?
Lesen um des Lesens willen
Seit Mitte Dezember denke ich über mein Leseverhalten des vergangenen Jahres nach. Inzwischen denke ich, dass es zumindest teilweise therapeutisch war. Beim Lesen war mein Kopf einfach aus oder abgelenkt, versunken in Geschichten, in denen am Ende alles gut wurde (ja, ich bin pro Happy End, sorry). Bei dem, was gesamtgesellschaftlich seit 2020 abgeht, was global passiert und wie die Auswirkungen im persönlichen Bereich aussehen, kann ich niemandem und auch mir nicht die regelmäßige Alltagsflucht in bessere Geschichten verübeln. Und lesen ist nun mal meine liebste Zuflucht, mein Happy Place, wenn alles uncool ist.
Ich habe Bücher bestimmter Genres gelesen, die als “nicht sonderlich anspruchsvoll” gelten. Über diese Wertung sprechen wir ein anderes Mal, denn hier zeigt sich wieder das Geschmäckle des Bildungsbürgertums und was als “gute” und “schlechte” Literatur gilt. Beim therapeutischen Lesen, also dem Lesen um des Lesens Willen, kann ich zumindest kein komplexes Sachbuch oder einen anspruchsvollen Roman von Dostojewski oder Austen im Original lesen. Und das ist absolut okay!
Lesen um des Lesens Willen wird meiner Erfahrung nach oft mit Naserümpfen begegnet, weil es nicht um die Geschichten an sich ginge, sondern vielmehr nur um den Akt des Lesens, dabei das sei doch die erzählte Geschichte Zentrum dieser Aktivität. Aber dieses Einteilen des Lesens in “gutes” und “schlechtes” Lesen ist wieder eine Wertung, und wer soll dafür objektive Bewertungskriterien aufstellen? Und wieso sollte es überhaupt bewertet werden? Wenn jemand an einer ungefährlichen Sache Freude findet, warum muss man sowas bewerten?
Lesen um des Lesens Willen ist in Ordnung! Aber warum fuchst mich das trotzdem so?
Das Erinnern von Geschichten
Ich erinnere mich noch, als der vierte Harry Potter rausgekommen ist. Zwar stand ich nicht ab 5 Uhr morgens vor der nächsten Buchhandlung, aber pünktlich um 10 Uhr stürmte ich mit meinem Vater den Laden. Ich las das Buch an dem Wochenende durch. Meine Klassenkamerad*innen wollten mir nicht glauben und schon gar nicht, dass ich richtig gelesen hätte. Sie haben mir später, als auch andere das Buch gelesen hatten, ein Quiz gestellt. Das ich gewann. Ich war unglaublich stolz.
Wenn ich die Leselisten der letzten Jahre anschaue, habe ich bei den meisten eine Erinnerung, worum es ging, wie ich es fand oder erinnere wenigstens eine Szene, irgendwas. Immer noch! Gucke ich mir die Titel und Cover der Bücher aus 2021 an, ist da bei einigen einfach ein Loch. Manchmal hilft es, die Klappentexte zu lesen, aber auch dann erinnere ich mich nicht an alle.
Ich möchte mich aber gerne an die Bücher und Geschichten, die ich gelesen habe, erinnern können. Sie machen einen großen Teil meiner wachen Lebenszeit aus, haben mir mal mehr, mal weniger Freude bereitet, und oft (nicht immer) habe ich angeknüpfte Erinnerungen an die gelesenen Bücher. Mich an Geschichten erinnern zu können, gehört für mich zu meinem Leseleben dazu, deswegen tue ich mich auch so schwer mit dem letzten Lesejahr – okay sein hin oder her.
Was tun? Was schreiben!
Ich komme immer wieder in einen Leserausch, das kenne ich von Kindheit an. Ich versinke in einem Buch nach dem nächsten. Ist ein Buch fertig gelesen, ist direkt der Hunger nach einer neuen Geschichte da. Das wird auch dieses Jahr nicht anders sein.
Was ich aber anders machen möchte, ist, mir nach jedem Buch Notizen zu machen. Stammdaten wie Autor*in und Titel, Seitenanzahl und Genre, aber vor allem auch Gedanken, Notizen und Ideen. Ich habe mir wieder ein Buch der Bücher angelegt, in dem ich zum einen Challenges und meine “Gelesen 2022”-Liste notiere. Der Großteil soll aber das Buchtagebuch sein. Ich bin gespannt, ob ich es durchhalte, aber ich hoffe es für mich. Ich freue mich darauf und vor allem freue ich mich darauf, mich wieder an mehr Bücher zu erinnern, die ich gelesen habe!
Uh spannendes Thema. Ich schaue ja auch immer bewundern auf die mehr als 100 Bücher Leser*innen 😉 Ich bin immer eher so knapp drunter. Die scheinbar magische dreistellige habe ich bisher nicht geknackt. Wobei ich auch viel Webcomics lese und denke, könnte man die mitzählen, dann … aber darum geht es nicht.
Ich finde es ganz spannend, dass du das offen ansprichst was das Naserümpfen betrifft und dass Lesen um des Lesens willen ok ist. Das finde ich durchaus auch, wenn es bspw. um die Weltenflucht/Espakismus geht. Tatsächlich ist mir aber das “Lesen um des lesens” willen immer eher dann negativ aufgefallen, wenn der Eindruck entsteht man lese nicht aus ehrlichem Interesse die Bücher, sondern um irgendeinen Hype oder Prestige zu bedienen. Also so in der Art “Ich lese Tolstoi, weil ich so eloquent bin uh la la”.
Von daher denke ich, dass gerade Lesen für den Eskapismus immer noch “gesellschaftlich akzeptabel” ist und wäre sehr vor den Kopf gestoßen, wenn das plötzlich anders ist. Wo kommen wir denn da hin, wenn man nicht mehr aus Spaß an der Freude und den Welten zwischen den Seiten lesen darf …
Das Vergessen der Inhalte beschäftigt mich auch sehr. Ich habe sowas ähnliches wie dein Buch – ich trage immer mal Stati in Goodreads ein. Früher wollte ich gegen das Vergessen “alles” im Blog besprechen. Den Gedanken finde ich immer noch schön, aber nicht schaffbar…
Viel Spaß beim Lesen und Aufschreiben