Titel: A court of Thorns and Roses
Autorin: Sarah. J. Maas
Verlag: Bloomsbury
ISBN: 978-1-4088-5786-1
Feyre ist die jüngste Tochter ihres Vaters und die einzige, die ihre Familie nach ihrem Fall in die Armut ernähren kann, indem sie jeden Tag in den nahen Wald zum Jagen geht. Eines Tages tötet sie einen großen Wolf, der ihr ihre eigentliche Beute weggeschnappt hätte. Dummerweise war es einer der unsterblichen Fea, die jenseits der Mauer von den sterblichen Menschen getrennt leben, und mit denen die Menschen eine blutige, hasserfüllte Geschichte verbindet. Als Strafe, ein Leben für ein Leben, muss Feyre nach Prythian, in das Land der Fae, um dort für immer beim High Lord Tamlin zu leben. Doch in Prythian ist es alles andere als Sicher, eine dunkle Macht bedroht den wackligen Frieden, und während Feyre sich in ihrem neuen Zuhause einleben muss, findet sich mitten in einem seit Jahrzehnte andauernden Konflikt wieder.
Die Story plätschert vor sich hin, zwei Drittel des Buches sind im Grunde nur Vorlauf für das letzte Drittel. Wer sich mit Märchen auskennt, werden die eindeutigen Parallelen zu Die Schöne und das Tier (oder auf Disney: Die Schöne und das Biest) auffallen. Maas hat es auf grandiose Weise geschafft, die Strukturen dieses Märchens in einer völlig neuen, anderen Welt umzusetzen und trotz der Ähnlichkeiten eine eigenständige Geschichte zu schaffen.
Das Buch braucht einige Zeit, um in Schwung zu kommen, auch wenn Feyre an sich ein spannender Charakter ist. Lange Zeit bekommt man wenig von der wirklichen Bedrohung mit, man nimmt vor allem die direkte Umgebung wahr. Und die ist voller Fae, die Feyre im besten Fall nicht wohl gesinnt sind, im schlimmsten Fall direkt töten wollen.
Doch obwohl das Buch trotz seiner bisweiligen Längen ein Pageturner ist, kann ich dieses Buch nicht ruhigen Gewissens weiterempfehlen. Nachfolgend erkläre ich warum, komme aber nicht umhin, Details der Geschichte zu verraten. Deswegen:
*** SPOILERWARNUNG! ***
Eine Sache, die ich im Laufe des Buches wirklich, wirklich gestört hat, ist die Reproduktion von Rape Culture. Bevor ich dazu komme, ein kurzer Exkurs dazu, was Rape Culture überhaupt ist und warum es wichtig ist, darüber zu reden und sich zu sensibilisieren
Crashkurs Rape Culture
Rape Culture bezeichnet eine Gesellschaft, ein soziales Milieu oder auch Gruppe, innerhalb derer sexualisierte Gewalt toleriert, geduldet, entschuldigt und/oder heruntergespielt wird. „Susann Brownmiller hatte 1975 in Gegen unseren Willen von Amerika als einer ‚rape supportive culture‘ gesprochen und sich damit auf die gesellschaftliche Haltungen bezogen, die sexuelle Gewalt trivialisieren, entschuldigen oder gar glorifizieren.“(1) In einer Rape (Supportive) Culture ist auch Victim Blaming an der Tagesordnung, was bedeutet, dass Vergewaltigungsopfer mindestens eine Teilschuld zugesprochen wird. Sei es durch die Kleidung, das Opfer trug, oder dass es sich zu nächtlicher Zeit noch auf der Straße befand, sei es Kontaktfreudigkeit, der „falsche“ Umgang von Leuten oder Freizeitbeschäftigung – all das kann dazu führen, dass dem Opfer (oft auch als Survivor bezeichnet) Mitschuld an dem an ihm begangenen Verbrechen gegeben wird. Ein Beispiel aus Berlin: „M. erzählte, was vorgefallen war, die Beamtin sagte: ‚Es ist aber auch ein komisches Hobby, nachts im Minirock durch Neukölln zu laufen, oder?‘“(2) Hier: falsche Kleidung, falsche Zeit, falscher Ort, also bist du selber schuld. Rape Culture ist nichts, was „woanders“ ist, was nur „in anderen Ländern/Kulturen“ passiert, sondern zusammen mit Sexismus etwas, das vermutlich jede Frau auf die ein oder andere Weise schon erlebt hat und/oder jeden Tag erlebt.
Rape Culture geht Hand in Hand mit Sexismus und ist etwas, das in Jugendbüchern, vor allem in solchen, die sich an Mädchen richten, nicht unkritisch reproduziert werden sollte. Wer hinsichtlich zu Seximus, Misogynie und Feminismus aktuelle und gute Bücher lesen möchte, findet in der Fußnote ein paar meiner Meinung nach empfehlenswerte Bücher.(3)
Rape Culture in ACOTAR
Während des Frühlingsfestes Calanmai soll Feyre sich in ihrem Zimmer einschließen und erst bei Morgengrauen herauskommen. Grund: Tamlin wird in dieser Nacht seinen animalischen Instinkten folgen, sich eine Frau suchen die er begatten kann, und laut Lucien, seinem Freund, wird das nicht sehr sanft sein. Für die auserwählte weibliche Fae ist das natürlich eine große Ehre, weil königlicher Fae und so. Es folgen zwei Szenen, die beide einen (versuchten) sexuellen Übergriff darstellen.
Feyre schleicht sich trotz des „Verbotes“ auf das Fest, wird von drei Fae bedrängt und kann nur durch einen ihr Unbekannten vor dem „Spaß“ gerettet werden – vermutlich einer Vergewaltigung, denn bei diesem Fest geht es nur um Sex, die bloße Anwesenheit wird als Zustimmung gesehen, ein Nein gibt es nicht. Feyre wird von dem „Spaß“ verschont, weil ein anderer Mann sie beansprucht. (4) Lucien bringt sie ins Schloss zurück.
Dort macht sie sich nachts in der Küche etwas zu essen und wird von Tamlin überrascht, der noch „ganz animalisch“ ist und sie nach kurzer Diskussion, dass sie entgegen seinem Verbot trotzdem auf dem Fest gewesen sei und ihn ganz rattig gemacht habe, an die Wand drückt und ihr in den Nacken beißt. Es fehlt nicht viel, und Tamlin „nimmt“ Feyre – ein anderer Ausdruck fällt mir dafür nicht ein – an Ort und Stelle. Für Feyre geht das voll klar, sie findet es auch irgendwie geil, egal, dass sie einen unübersehbaren Bluterguss zurückbehält. Am nächsten Tag finden Lucien und Tamlin das alles ganz witzig, Feyre auch irgendwie. Nur ich als Leserin denke mir: ernsthaft? Das ist die Botschaft? Dass ein betrunkener Mann mich an die Wand drückt, soll erotisch sein, ich soll das toll finden? Es ist nicht im Geringsten übergriffig, sondern, mit Nomnoms Worten, „fast schon romantisch“?
„Ganz abgesehen davon ist Feyre sowieso selber schuld. Sie hat nämlich nicht auf die Männer im Buch gehört, und ist aus ihrem Schlafzimmer gegangen. Von daher ist alles, was ihr passiert ist, zum lachen. Also zumindest für die Männer. …
So hatte das Buch diese Nacht aber als nichts anderes als fast schon romantisch (immerhin wollte der Loveinterest eingetlich sie! Er hat nur eine andere genommen, weil sie nicht da war!…) beschrieben…“(5)
Auch im letzten Drittel des Buches wird es nicht besser. Feyre wird von der bösen Königin gefangen genommen und muss jeden Monat eine von drei Aufgaben erfüllen, um ihren geliebten Tamlin zu bekommen. In der Zwischenzeit ist sie die Sklavenbegleiterin eines anderen königlichen Fey, Rhysand. Dieser lässt sie jeden Abend mit Farbe bemalen und steckt sie in Kleider, die nichts der Fantasie überlassen. Auf den allabendlichen Feiern setzt er sie mit dem Fae-Wein, den Menschen nicht gut vertragen, unter Drogen und lässt sie zur Belustigung aller tanzen. Reicht eigentlich schon an Demütigung und Machtdemonstration. Allerdings zieht Rhysand Feyre auch an jedem Abend in seinen Schoß um mit ihr „rumzumachen“, sie erkennt am Morgen immer an der verwischten Farbe, wo seine Hände gewesen sind. Es kam nicht zum Äußersten, sie wird nie unterhalb ihrer Hüfte berührt.(6) Na Hallelujah, dann ist der Rest ja okay. Am Ende gibt es eine fadenscheinige Erklärung dafür, denn nur so konnte man sicher gehen, dass die böse Königin auch besiegt werden kann uswusfetcpp.
Kein empfehlenswertes Jugendbuch!
Sexuelle Belästigungen und Übergriffe sind also okay, wenn sie Mittel zum Zweck sind. Was ist das für eine Aussage, vor allem in einem Jugendbuch, das sich darüber hinaus laut deutschem Verlag an 14 Jährige wendet? Ich werde den Teufel tun und das meiner Schwester, die in die Zielgruppe passt wie die Faust aufs Auge, zu lesen geben.
Mir wurde gesagt, dass in Band 2 der Serie alles erklärt wird und wohl auch, dass das so nicht okay war. Ehrlich? Wenn dem so ist, hätte das noch im gleichen Buch richtig gestellt werden müssen, wo es noch im Kontext ist.
Ich mag die Throne of Glass Serie von Maas, jedenfalls soweit ich sie bisher gelesen habe, aber A Court of Thorns and Roses kann ich beim besten Willen nicht weiterempfehlen!
Weitere Rezensionen
Kati von Zeit zu Lesen
Franziska von Büchereckenliebe
Anna von Ink of Books
Anna von Live your Life With Books
Saskia von Who is Kafka (Achtung, spoilerfreie Doppelrezension zu A Court of Thorns and Roses und A Court of Mist and Fury)
(1) Sanyal, Vergewaltigung, Edition, Nautilus, S. 119.
(2) Margarete Stokowski, Rape Culture: Die hässliche Wahrheit, TAZ 12.01.2013.
(3) Empfohlene Bücher zur weiteren Lektüre
Mithu Sanyal, Vergewaltigung, Edition Nautilus, 2016. (Rezension folgt nächste Woche)
Laurie Penny, Unsagbare Dinge. Sex, Lügen und Revolution, Edition Nautilus, 2015.
Laurie Penny, Fleischmarkt. Weibliche Körper im Kapitalismus, Edition Nautilus, 2012.
Margarete Stokowski, Untenrum Frei, Rowohlt, 2016. (Ich bin noch am Lesen, aber Janine hat eine tolle Rezension geschrieben
(4) Kennt man auch aus einer Kneipe. „Danke, kein Interesse“ „Ach bitte, ich finde dich so toll, und…“ „Ich habe einen Freund.“ „Sag das doch.“ Der Anspruch eines anderen Mannes ist gewichtiger als das Selbstbestimmungsrecht einer Frau. Yay.
(5) Nomnom, Ich finde schon wieder ein Buch einer gefeierten Autorin voll doof, 27.08.2016.
(6) Vgl. Maas, A Court of Thorns and Roses, S. 383.
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